Junta in Myanmar: Der fatale Irrtum der Militärs (2024)

Junta in Myanmar: Der fatale Irrtum der Militärs (1)

Stand: 01.02.2023 19:46 Uhr

Zwei Jahre nach dem Militärputsch ist die Lage in Myanmar angespannter denn je. Die Junta führt einen rücksichtslosen Kampf gegen die Opposition und hat doch die Kontrolle über große Teile des Landes verloren.

Von Jennifer Johnston, ARD Singapur

Die Straßen leer, die Läden geschlossen: Die Gegner der Militärjunta haben in Myanmar still protestiert. Vor zwei Jahren hatte das Militär die zivile Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gestürzt und die Macht übernommen. Kurz zuvor war Suu Kyi mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt worden. Die Junta begründete ihren Putsch mit Wahlbetrug.

In den Tagen nach dem Putsch gingen Hunderttausende gegen das Militär auf die Straße. Sie trommelten auf Töpfe und Pfannen und forderteneine Rückkehr der demokratisch gewählten Regierung. Die Menschen im Land hatten gerade knapp zehn Jahre Öffnung, Reformen und Demokratie erlebt.

Auch die 26-jährigeSuMyatNoeging damals friedlich auf die Straße.Sie musstemit ansehen, wie drei Freunde von Soldaten erschossenwurden. "Das Militär hatte Waffen. Wir hatten gar nichts. Wir konnten uns nicht verteidigen. Nur Waffen können gegen Waffen kämpfen", erzählt die junge Frau dem ARD-Studio Singapur.

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Mit Waffengewalt gegen die Junta

SuMyatNoe sitzt am Grenzfluss zwischen Myanmar und Thailand.Bis zum Putsch war sie Modedesignerin inYangon. Jetzt ist sie Teil derPeoplesDefenceForce, der Volksverteidigungskräfte, die mit Waffengewalt gegen das Militär kämpfen.

Im Grenzgebietzu Thailand, das vonder ethnischen Minderheit der Karenkontrolliert wird,lässt sie sichwie tausende andere Städteran der Waffe ausbilden. Die ethnischen Minderheiten in Myanmar kämpfen seit Jahrzehnten für ihre Unabhängigkeit. Seit dem Putsch haben sie einen gemeinsamen Feind: die Militärjunta.

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Was das Militär unterschätzte

Das Militär habe die Widerstandskraft und den Willen der Bevölkerung unterschätzt, sagt die burmesische Politikwissenschaftlerin MoeThuzar.Sie arbeitet amYusofIshak Forschungsinstitut in Singapur.Bis heute habedas Militär das Land nicht unter seine Kontrolle gebracht.

Stattdessenteilt es die Macht mit einer Schattenregierung, diesich rundzwei Monate nach dem Putschgebildethatte.IhrSprecher UKyawZawerklärtim Interview:"Zusammen mit den bewaffneten Kräften der ethnischen Minderheitenkontrollieren wir mehr als 50 Prozentdes Staatsgebiets von Myanmar. Wir betreiben Schulen, Krankenhäuser und sind dabei, Gerichte und eine Polizei aufzubauen."

Sanktionen mit wenig Wirkung

Bei ihrem Kampf gegen die Generäle wünscht sich die Opposition mehr Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Zwar gab es Wirtschaftssanktionen von der EU und den USA gegen die Militärführung, doch sie haben bisher wenig Wirkung gezeigt.Zum Jahrestag verhängten die USA, Großbritannien, Kanada und Australien neue Sanktionenund Einreiseverbote für Mitglieder der Militärregierung.

Der UN-Sicherheitsrat hatte im Dezember zum ersten Mal eine Resolution zu Myanmar verabschiedet, ein Ende der Gewalt gefordert und die Freilassung der entmachteten Regierungschefin Aung San SuuKyi, die inzwischen zu 33 Jahren Haft verurteilt wurde. Aber ein weltweites Waffenembargo gibt es weiterhin nicht.

Myanmar bezieht einen Großteil seiner Waffen von seinem Verbündeten Russland, darunterauch Kampfjetsund Hubschrauber. Damit bombardieren Soldatenganze Dörfer, besonders häufig in der Grenzregion zu Thailand, wo die Soldaten viele Rebellen vermuten. Es ist ein ungleicher Kampf.Die Volksverteidigungskräfte bauen ihre Waffen teils selbst.

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Ein brutal geführter Kampf

Lautder Gefangenenhilfsorganisation AAPPsind bis heute mehr als 2900 Menschen vom Militär getötet worden - bei Demonstrationen,im Gefängnis,in ihren Häusern.Die Soldatenbrennen teils ganze Dörfer nieder. Fast 40.000 Häuser, Kliniken und Schulen wurden zerstört, darunter auch buddhistische Tempel oder Kirchen, wo Menschen Schutzsuchten.

Mehr als17.000 Menschen wurden verhaftet.Fast 14.000 sitzen bis heute im Gefängnis. Mehrere große Massenfreilassungen hatten vor allem den Zweck, ein positives Bild nach außen zu vermitteln. Viele der Freigelassenenwaren keine politischen Gefangenen,standen kurz vordemEnde ihrer Haftzeit oder wurden kurz darauf wieder festgenommen.

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Deutliche ASEAN-Kritik

Der Verband Südostasiatischer Staaten, kurz ASEAN,hat sichfür seine Verhältnisseschonüberraschend deutlichzur Situation in Myanmargeäußert.Der Konflikt bedeutet Instabilität für die gesamte Region, und aufgrund vieler Flüchtlinge sind einige Nachbarländer direkt vom Bürgerkrieg in Myanmar betroffen.

LautAmnesty Internationalhaben 70.000 Menschendas Land verlassen, mehr als 1,5Millionen Menschen seien auf der Flucht im eigenen Land.Bis auf die Forderungder ASEAN, dass die Militärjunta einengemeinsam verabschiedetenFünf-Punkte-Plan endlich umsetzt, ist allerdings wenig passiert.DerneueASEAN-Vorsitz Indonesien setzt auf Dialog mit dem Mitgliedsland, will in Kürze einen hohen General für Gespräche nach Myanmar schicken.

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Verschieben sich die Wahlen noch einmal?

Die politische, wirtschaftliche und humanitäre Situationim Landist zum zweiten Jahrestag des Putschesauf einem Tiefpunkt.Staatsmedienmelden, dass der Ausnahmezustandin Myanmarum weitere sechs Monate verlängert wird.Ein Verstoß gegen die Verfassung, die eine solche Verlängerung eigentlich verbietet.

Damit verschieben sich vermutlich auch diefür August angekündigten Wahlen. Dabei hatteGeneral Min AungHlaing2021 noch angekündigt:"Wir müssen die Voraussetzungen für freie und faire Wahlen mit mehreren Parteien schaffen. Ich verpflichte mich, die Wahlen auf jeden Fall abzuhalten."Er hatte jedoch auch erklärt, dass das Land dafür friedlich und stabil sein müsse. Ein Zustand, von dem Myanmar derzeit weit entfernt ist.

Die USA hatten bereits damals von Scheinwahlen gesprochen. Der UN-Sonderberichterstatter TomAndrews sagte,freie und faire Wahlen seien unmöglich, wenndie Opposition verhaftet,gefoltert undhingerichtet wird.

Im vergangenen Jahr hatte die Militärjunta zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Todesurteile vollstreckt und vier Demokratie-Aktivisten hingerichtet.Die Militärs begründen ihren Machtanspruch damit, dassnur sie in der Lage seien, für Stabilität zu sorgen und das Land zusammenzuhalten. Seit der Staatsgründung hatte das Militär in Myanmar immer eine wichtige Rolle gespielt.

Ein Gesetz nach Maß

Vor wenigen Tagen hat die Militärjuntanunein neues Parteiengesetz veröffentlicht. Es legt unter anderemRegeln für Mitgliederzahlen, die Menge an Büros und die finanzielle Ausstattung der Parteien fest. Wer mit terroristischen Organisationen in Verbindung steht, und als das gilt auch die Parallelregierung, die NUG, sei von deranstehendenWahl ausgeschlossen.

Die Kriterien des 20-seitigen Regelwerks scheint derzeit nur eine Partei zu erfüllen, und die steht dem Militär nahe. Die UN-Sondergesandte für Myanmar,NoeleenHeyzer, warnte daher, die Wahlen würden die Gewalt befeuern, den Konflikt verlängern und die Rückkehr zu Demokratie und Stabilität noch schwieriger machen.

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"Ich kämpfe für mein Kind"

Für die 26-jährige SuMyatNoe steht fest: sie will weiterkämpfen, bis sie das Militär besiegt haben. Vor wenigen Monaten hat sie ein Kind zur Welt gebracht. Der Vater ist ihr Ausbilder, ein Kämpfer der ethnischen Minderheit der Karen. "Mein Leben ist völlig anders ,als ich es mir vorgestellt hatte. Aber das ist egal. Ich kämpfe für mein Kind, für eine bessere Zukunft für unsere nächste Generation."

Der Wunsch von ihr,anderen Widerstandskämpfernund Demokratie-Aktivsten istein föderaler, demokratischer Bundesstaat, der zum ersten Malin der Geschichte Myanmarsalle Minderheiten und ethnischen Gruppenvereint.

Jennifer Johnston, Jennifer Johnston, ARD Singapur, 01.02.2023 14:02 Uhr
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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. Februar 2023 um 18:00 Uhr in den Nachrichten.

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